Design Thinking: Der Mensch im Fokus
Lesedauer: ca. 7–8 Minuten
Was ist Design Thinking?
“Design thinking is not limited to a process. It’s an endlessly expanding investigation.”
Sandy Speicher, IDEO CEO
Design Thinking ist ein Innovationsansatz, bei dem die Bedürfnisse der Menschen, die Möglichkeiten der Technologie und die Anforderungen an den geschäftlichen Erfolg in Einklang gebracht werden. Er baut auf Methoden aus dem Design auf, um mit komplexen Herausforderungen umzugehen und Lösungen zu entwickeln. Es gibt keine einheitliche Definition für Design Thinking. Vielmehr ist es eine Idee, eine Strategie, eine Methode und eine Art, die Welt zu sehen. Ergebnisse von Design Thinking Prozessen reichen daher von Dienstleistungen über Systeme, Prozesse, Erfahrungen und Geschäftsmodelle bis hin zu Innovationsstrategien. Nach Entstehung des Ergebnisses, wird es kontinuierlich weiter optimiert und verändert.
In diesem Artikel geht es um die Kernkonzepte von Design Thinking, die Anwendung und Etablierung durch die Design- und Innovationsberatung IDEO und die Vor- und Nachteile des Ansatzes. Darüber hinaus erzählen wir wie Elemente des Design Thinking auch bei uns in der Projektentwicklung eingesetzt werden.
IDEO
Zwar wurde Design Thinking nicht direkt von IDEO erfunden, doch spielen das Unternehmen und sein ehemaliger CEO Tim Brown eine große Rolle als wichtige Vertreter des Innovationsansatzes. Denn IDEO hat als eines der ersten Unternehmen Design Thinking aktiv gelebt und durch alle Prozesse hindurch angewandt.
“IDEO’s passion is about making stuff work, not being artists.”
BusinessWeek
IDEO ist ein weltweit operierendes Design- und Innovationsberatungsunternehmen aus Kalifornien. 1991 gegründet, begann IDEO zunächst mit Produktdesign (z.B. Zahnbürsten). Über die Jahre hat sich das Unternehmen dann zu einer Beratung für Strategien und Marken mit etwa 700 Mitarbeitern entwickelt. IDEO designt heutzutage neben Produkten auch Dienstleistungen und Erlebnisse für Kunden wie zum Beispiel P&G oder das US Dept. of Health and Human Services. Entscheidend für diesen Erfolg waren der Einsatz von Designmethoden auf eine neue, stark lösungsgetriebene Weise und die dadurch hohe Innovationskraft des Unternehmens. Unter Einsatz von Design Thinking bei der Produktentwicklung wurde IDEO immer wieder als “eines der innovativsten Unternehmen der Welt” bezeichnet (Boston Consulting Group Ranking).
IDEO’s Designer stellen sich bei jedem Projekt immer folgende drei Fragen:
- Was ist für die Menschen sinnvoll?
- Was ist in absehbarer Zeit technisch möglich?
- Was könnte Teil eines nachhaltigen Geschäftsmodells werden?
Diese drei Fragen zielen auf der Kernkonzept von Design Thinking ab. Es geht darum die Attraktivität eines Produktes für Konsumenten, die technische Realisierbarkeit und die Rentabilität stets zu beachten und zu vereinen. Um dies zu erreichen, folgt der Design Thinking Prozess mehreren Schritten. Dabei stehen Kreativität, das Hinterfragen von bestehenden Lösungen und das stetige Testen von Ideen im Fokus. Ähnlich wie bei der Entwicklung von MVPs geht es nicht darum, sofort das perfekte Produkt zu entwickeln, sondern aus einem großen Ideen-Pool erstmal Prototypen zu entwickeln, die dann direkt am Kunden getestet und daraufhin optimiert werden.
Die Schritte des Design Thinking nach IDEO:
- Frame a Question: Identifizieren Sie eine treibende Frage, die andere dazu inspiriert, nach kreativen Lösungen zu suchen.
- Gather Inspiration: Inspirieren Sie neues Denken, indem Sie herausfinden, was Menschen wirklich brauchen.
- Generate Ideas: Hinterfragen Sie offensichtliche Lösungen, um zu bahnbrechenden Ideen zu gelangen.
- Make Ideas Tangible: Erstellen Sie grobe Prototypen, um zu lernen, wie Sie Ideen verbessern können.
- Test to Learn: Verfeinern Sie Ideen, indem Sie Feedback sammeln und sie dadurch weiterentwickeln.
- Share the Story: Erstellen Sie eine menschliche Geschichte, um andere zum Handeln zu inspirieren.
Wenn man sich mit Design Thinking beschäftigt, kommt man auch um den Begriff “Human-centered Design” nicht herum. Human-centered Design gab es schon vor der Design Thinking Bewegung und beschreibt die Ausrichtung technischen Designs auf den Menschen. Es bildet die Basis für den Design Thinking Ansatz.
Human-centered Design
IDEO und Design Thinking Praktizierende gehen davon aus dass Design auf den Menschen ausgerichtet sein sollte. Es mag Technologie und Wirtschaft integrieren, aber es beginnt damit, was der Mensch braucht oder brauchen könnte. Was macht das Leben einfacher, angenehmer? Was macht Technologie nützlich und nutzbar? Dabei geht es um mehr als nur gute Ergonomie oder darum, die Knöpfe an der richtigen Stelle zu platzieren. Es geht oft darum, die Kultur und den Kontext zu verstehen, bevor überhaupt feststeht, wo die Lösungsideen ansetzen sollen.
“Great design satisfies both our needs and our desires. Often the emotional connection to a product or an image is what engages us in the first place […] to appeal to us emotionally and functionally. In other words, they do the job and we love them.”
Tim Brown, IDEO
Human-centered Design ist kollaborativ und teambasiert. Es geht darum, möglichst viele und verschiedene, kreative Ideen zu generieren. Jeder soll seine eigenen Talente und Visionen einbringen. Es wird zwar expliziten Prozessschritten gefolgt, doch in den Phasen selbst darf es unordentlich und verrückt zugehen. Besonders wichtig ist, dass immer von den Bedürfnissen des Kunden ausgegangen wird — sprich der Mensch steht, wie der Name schon sagt, immer im Zentrum. Dabei schauen sich die Designer die aktuelle Lebensweise genau an, beobachten Trends und das menschliche Verhalten.
Der Kunde wird dadurch als “fachkundiges” Mitglied des Teams gezählt, denn er weiß am besten, welche Bedürfnisse er hat und wie Produkte ihm helfen könnten, bestimmte Probleme zu lösen. Diese “Zusammenarbeit” zwischen Design-Team und Kunde wird im Design Thinking als “co-creation” bezeichnet.
Co-Creation
Co-Creation beschreibt grundsätzlich jeden Akt der kollektiven Kreativität. Folgt man dem Design Thinking Ansatz, ist Co-Creation besonders in drei Fällen unabdingbar. Erstens, wenn relevantes Fachwissen beim Kunden bzw. beim Nutzer liegt. Ist dies der Fall, muss der Kunde bzw. der Nutzer in den Entwicklungsprozess mit einbezogen werden, damit dieser überhaupt starten kann. Zweitens, wenn die Beteiligung des Kunden entscheidend für den Erfolg ist (z. B. bei der Umsetzung einer neuen Innovationsplattform, Strategie, Dienstleistung oder eines organisatorischen Prozesses). Es nützt nichts einen Prozess für einen Kunden zu entwickeln, wenn dieser ihn später gar nicht nutzt oder nutzen kann. Ein Unternehmen muss für Veränderung und Mitarbeit bereit sein. Drittens, wenn eine Nachfrage nach hochgradig maßgeschneiderten/einzigartigen Ergebnissen besteht: der Kunde ist bereit, die Erfahrung oder die Gelegenheit zur Mitgestaltung zu kaufen (zu höheren Kosten). In diesem Fall geht es um den Prozess der Co-Creation an sich und nicht darum, ein Endergebnis zu schaffen.
Vor- und Nachteile
Grundsätzlich sollten sich alle Unternehmen, die Produkte und Dienstleistungen in irgendeiner Weise für Nutzer designen, mit den Ideen und Prozesses des Design Thinking auseinander setzen. Die Kernbotschaft des Ansatzes ist klar, es sollen Lösungen mit und für die Menschen entwickelt werden, die diese später in ihrem Alltag auch wirklich nutzen werden. Dabei wird iterativ immer wieder getestet und optimiert bis die bestmögliche Lösung entwickelt wurde. Der Ansatz lohnt sich besonders für Produkte und Dienstleistungen, in denen die Funktionalität eine sehr wichtige Rolle spielt. Zum Beispiel hat IDEO zuletzt Systeme für Vertical Farming oder die erste wie ein BH tragbare Milchpumpe für stillende Frauen entwickelt.
Ein “Nachteil” von Design Thinking ist, dass Design-Team und Kunde sich voll und ganz auf das Vorgehen einlassen müssen, damit am Ende ein innovatives Ergebnis herauskommt. Der Kunde muss bereit sein, Bestehendes zu hinterfragen und nochmal zur Phase “Zero” zurückzukehren, in der Nutzer zu ihren Bedürfnissen befragt und beobachtet werden. Dies kann Zeit und Geld kosten, doch ohne diesen Schritt würden die nötigen Informationen fehlen, um wirklich innovative und für den Nutzer gewinnbringende Ideen zu entwickeln.
Der Design Thinking Bewegung gegenüber stehen außerdem Branchen und Unternehmen, die Ästhetik und künstlerischen Anspruch über Funktionalität stellen. Hierzu gehören beispielsweise Designer aus der Mode- und Luxusgüterindustrie. Der Wert und Nutzen, der diese Produkte für die Konsumenten hat, ist vielmehr “design-driven” als “human-centered”. So sagte zum Beispiel der Designer der gleichnamigen Marke Alberto Alessi einmal: It’s “banal” to buy a coffee maker “just to make coffee”. Bei Alessi-Produkten zahlt man demnach nicht für die Funktion, sondern für das Design.
Design Thinking bei Lichtblick
Der allgemeine Webseiten-Entwicklungsprozess bei Lichtblick folgt dem Design Thinking Ansatz in vielerlei Hinsicht und stellt den User bedingungslos in den Mittelpunkt.
Zu Beginn eines jeden Webprojektes überlegen wir ko-kreativ mit dem Kunden, welche Zielgruppen er eigentlich genau ansprechen möchte und welche Bedürfnisse diese Zielgruppen haben. Dafür entwickeln wir detaillierte Buyer Personas und definieren ihre Insight Stories, d.h. vor welcher Herausforderung steht die Person genau, wie trifft sie Entscheidungen und welchen Mehrwert bietet ihr ein bestimmtes Produkt/eine Dienstleistung. Dabei arbeiten wir in der Ideation-Phase mit unseren Kunden in ergebnisoffenen Workshops, um Ideen zu sammeln und diese auf Grundlage von Feedback zu optimieren. Nach jedem Workshop reflektieren wir die Ergebnisse kritisch, um sicherzustellen dass das Projekt on Track verläuft oder ob eine zusätzliche Iteration nötig ist, um das Ergebnis weiter zu optimieren.
Bevor es von der Konzeption in die Design-Phase übergeht, erstellen wir hochdynamische Prototypen unter Anwendung der Prototyp Software Adobe XD um User Experience Lösungen zu testen und zu simulieren (siehe MVP). So geht es auch beim Webseiten-Design nicht darum, die modernste Seite mit möglichst vielen visuell beeindruckenden Elementen zu erstellen. Denn wenn die Nutzer sich auf der Seite nicht orientieren können und keine für sie relevanten Inhalte finden, wird sie auch dieser durchdesignte Webauftritt nicht überzeugen.
Unser Ziel dagegen ist es, Webseiten zu entwickeln, über die wir sagen können: “they do the job and we love them” — wie schon Tim Brown von IDEO sagte. Dabei ist Funktionalität mindestens genauso wichtig wie ein visuell ansprechender Auftritt. Und Design Thinking hilft dabei, dieses Ziel strukturiert und innovativ zu erreichen.
Quellen:
- https://hpi.de/school-of-design-thinking/design-thinking/was-ist-design-thinking.html
- https://www.ted.com/talks/tim_brown_designers_think_big?language=en
- Sanders & Stappers (2008). Co-creation and the new landscapes of design. CoDesign 4(1): 5–18: 6
- https://designthinking.ideo.com
- https://www.ideou.com/pages/design-thinking
- https://www.re-thinkingthefuture.com/product-design/a2908-ideo-10-iconic-products/