Kunden überzeugen: Die “messy middle” der Customer Journey
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Der Weg von dem ersten Berührungspunkt bis zum Kauf eines Produktes verläuft in unserer heutigen, digitalen Welt nicht mehr linear, sondern über verschiedenste Kanäle und in Abhängigkeit vieler Faktoren. Diese heutige Form der Customer Journey und die entscheidenden Faktoren haben auch Experten von Google vor kurzem untersucht. Das Ergebnis: im Zentrum der Customer Journey steht die “messy middle”, in der der potenzielle Kunde die Masse an Angeboten erforscht und bewertet, um letztendlich eine Kaufentscheidung zu treffen. Aber was genau beeinflusst heutzutage eigentlich die Kaufentscheidung?
Die chaotische Customer Journey
Lange vertraute man im Marketing auf die Werbewirkungsformel AIDA: Attention, Interest, Desire, Action. Im ersten Schritt wird Aufmerksamkeit erzeugt. Daraufhin wird das Interesse der potenziellen Kunden geweckt, welches sich im besten Fall in eine gewisse Begehrlichkeit für das Produkt entwickelt. Schließlich folgt der Handlungsaufruf und der Kunde kauft das Produkt. Klingt einfach, war es vielleicht nicht immer. Aber klar ist, dass das AIDA-Modell im Online Marketing heute nicht mehr anwendbar ist. Denn der Weg zur Kaufentscheidung, die sogenannte Customer Journey, ist aufgrund der Vielzahl an Marketing-Kanälen und Online Marktplätzen immer komplexer geworden.
Google unterscheidet daher nur noch drei Teile der Reise: 1. Die Anreiz & Kontakt Phase, in der der potenzielle Kunde zum ersten Mal ein Produkt wahrnimmt und Interesse zeigt (z.B. durch Klick auf eine Instagram-Ad). 2. Die messy middle, welche die Region zwischen Anreizen und Kaufabschluss abbildet; das heißt, hier werden Kunden gewonnen oder sie wandern ab. 3. Die Erfahrungs-Phase, in der der potenzielle Kunde eine endgültige Entscheidung auf Basis seines gesammelten Wissens trifft. In dieser Phase hat der Kunde bereits eine Einstellung gegenüber des Produkts eingenommen.
Erforschen und bewerten
Die messy middle steht für die ständige Wiederholung der beiden Aktionen Erforschung und Bewertung. Nach der Anreiz-Phase, in der die potenziellen Kunden auf ein Produkt aufmerksam geworden sind, beginnen sie auf verschiedenen Kanälen nach Infos zu dem Produkt und der Marke und meist auch zu Konkurrenzprodukten zu suchen. So erforschen die Nutzer den Markt. Die neu gewonnen Informationen werden sofort verarbeitet und bewertet.
Diese zwei Verhaltensweisen laufen immer wieder abwechselnd ab. Dabei ist der Erforschungsmodus expansiv, das heißt, es kommen immer neue Informationen hinzu, und der Bewertungsmodus hingegen reduktiv, das heißt, die Optionen werden eingeschränkt oder ausgeschlossen. Alle (Inter-)Aktionen einer Person in der messy middle – in Suchmaschinen, sozialen Medien, Portalen oder Rezensions- und Bewertungsportalen – lassen sich einer dieser beiden Verhaltensweisen zuordnen. Ziel des Erforschungs- und Bewertungs-Prozesses ist es, irgendwann aus diesem Kreislauf auszubrechen, sodass eine Entscheidung getroffen wird.
Kognitive Bias beeinflussen die Kaufentscheidung
Google hat sich ergänzend zur messy middle in einer groß angelegten deutschen Studie außerdem mit kognitiven Faktoren, den sogenannten “Bias”, beschäftigt, die die Entscheidung für oder gegen ein Produkt beeinflussen. Diese tief in der Psyche des Menschen ruhenden kognitiven Verzerrungen gibt es schon immer und helfen Konsumenten, mit der heutigen Masse und Komplexität von Angeboten umzugehen. Ergebnis der Studie sind sechs verschiedene, am stärksten beeinflussende Bias, die im Folgenden vorgestellt werden.
- Produktmerkmale: bestimmte Produktmerkmale, die für die Konsumenten in der jeweiligen Kategorie besonders wichtig sind – bei Kleidung z. B. auf die Marke, bei Mobilverträgen auf das Datenvolumen.
- Sofortige Verfügbarkeit: die schnelle Bereitstellung des Produkts, z. B. durch kurze Lieferzeiten.
- Soziale Bestätigung (auch „Social Proof“): Empfehlungen und Rezensionen von anderen Konsumenten, z. B. Sterne-Bewertungen in Shops.
- Verknappung: eingeschränkte Verfügbarkeit eines Produkts, z. B. limited Editions und die Anzeige der Anzahl noch vorhandener Artikel.
- Expertenurteil (oder „Authority Bias“): offizielle Bewertungen von Experten, Zertifikate, Gütesiegel und andere Quellen, die beim Nutzer Vertrauen wecken.
- Bonuszugabe: ein Geschenk in Form eines Produktes, einer Vergünstigung o. ä., das nicht direkt etwas mit dem gekauften Produkt zu tun haben muss.
Die Veränderung einer oder mehrerer Bias führt zu neuen Einstellungen der Konsumenten gegenüber des Produktes. So haben die Experten von Google zum Beispiel in einem Experiment beobachtet, dass zunächst schlecht abschneidende Anbieter eine viel höhere Käuferpräferenz erlangen können, wenn das Produkt um eine Fünf-Sterne-Bewertung und eine verlängerte Garantie “aufgewertet” wird. Wurden alle sechs Bias bei einem Produkt verbessert, verbesserte sich die Käuferpräferenz besonders drastisch.
Die Studie zeigt, dass Grundlagen aus der Verhaltensforschung bei der Überzeugung von Konsumenten zur Kaufentscheidung wichtige Werkzeuge sind. Werden diese intelligent und verantwortungsvoll eingesetzt, können Kundenpräferenzen in der messy Middle einfacher gewonnen und verteidigt werden.
Fazit für Agenturen und Unternehmen
Was bedeutet die messy middle also für Unternehmen und uns als Agentur bei der Planung von Kommunikationsstrategien und Customer Journeys? Zunächst einmal müssen wir die Existenz der messy middle akzeptieren, denn wir können sie bei heutigen Kaufentscheidungsprozessen nicht vermeiden. Das Ziel kann also nicht sein, die Konsumenten aus der Erforschungs- und Bewertungsschleife zu befreien. Vielmehr müssen potenzielle Käufer innerhalb der Prozesse in der messy middle Informationen und die Bestärkung bekommen, die sie für ihre Entscheidung benötigen.
Es sollte vor allem auf die folgenden vier Punkte geachtet werden, wenn es darum geht die Nutzer von einem Produkt zu überzeugen:
Erstens muss das Produkt oder die Dienstleistung und vor allem die Marke dahinter für den Nutzer sichtbar sein während er im Erforschungsmodus die verschiedenen Angebote abgleicht. Dies erreichen wir, indem wir die auf die Zielgruppe angepasste Marketing-Formate nutzen, z. B. durch Google oder Social Media Ads.
Zweitens sollten die sechs entscheidenden Bias überprüft und gegebenenfalls verbessert werden. Gibt es glaubhafte Bewertungen zu den Produkten? Ist die Lieferzeit und der ggf. knappe Bestand der Produkte angegeben? Können den Nutzern weitere Anreize wie Prozente oder kostenlose Zugaben geboten werden?
Drittens geht es darum, die Lücke zwischen Anreiz und Kaufabschluss, sprich die messy middle, möglichst zu verkleinern, damit potenzielle Kunden nur für kurze Zeit mit anderen Marken in Kontakt kommen. Die Verbesserung der sechs Bias kann maßgeblich dazu beitragen.
Viertens und besonders wichtig ist die Zusammenarbeit von Branding und Performance im Anbieter-Unternehmen. Es ist essentiell für eine optimale Customer Journey dass Marketingmaßnahmen stetig gemessen und auf die Zielgruppe angepasst werden.
Uns als Agentur geht es genau um diese Optimierung der Customer Journey und damit Verkleinerung der messy middle. Wir wollen die Nutzer bestmöglich verstehen und übergreifende Entscheidungen treffen, die Marketing und Vertrieb verzahnen. Dabei ist Flexibilität und ein strategisches Lead-Management von hoher Bedeutung. Gerne beraten wir Sie zu allen Fragen rund um Leads und Customer Journey.