Barrierefreiheit auf Webseiten: Warum sie unverzichtbar ist
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Die digitale Welt ist für viele Menschen ein zentraler Bestandteil des täglichen Lebens. Doch nicht jede*r hat die gleichen Voraussetzungen, um das Internet in vollem Umfang zu nutzen. Die Bedeutung von Barrierefreiheit wird deutlich, wenn man bedenkt, dass etwa 15 % der Weltbevölkerung mit irgendeiner Form von Behinderung lebt. Ohne barrierefreie Webseiten bleibt dieser große Anteil der Bevölkerung von vielen digitalen Erlebnissen ausgeschlossen.
Barrierefreiheit im Web ist deshalb nicht nur ein ethisches Gebot, sondern auch eine geschäftliche Notwendigkeit. Unternehmen, die ihre Webseiten zugänglich gestalten, erreichen mehr Menschen und bieten ihnen ein gleichwertiges Nutzungserlebnis. Doch was bedeutet Barrierefreiheit im Kontext von Webseiten, und welche Herausforderungen und Lösungen gibt es?
Warum Barrierefreiheit so wichtig ist
Barrierefreiheit bedeutet, dass eine Webseite von allen Menschen genutzt werden kann, unabhängig von körperlichen oder geistigen Einschränkungen. Dies betrifft zum Beispiel Menschen mit Sehbehinderungen, Hörschwierigkeiten, motorischen Einschränkungen oder kognitiven Beeinträchtigungen. Wenn eine Webseite nicht barrierefrei ist, schließt sie potenziell Millionen von Menschen aus. Zudem kann es für Unternehmen rechtliche Konsequenzen haben, wenn ihre Webseiten nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechen.
Ab Mitte 2025 gilt für Webseiten und Apps eine gesetzliche Pflicht zur Barrierefreiheit. Diese regelt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG). Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) setzt die EU-Richtlinie des European Accessibility Act (EAA) um, um europaweit einheitliche Regeln zur Barrierefreiheit zu schaffen.
Dabei verbessert eine barrierefreie Webseite die Nutzererfahrung für alle. Klare Strukturen, gut lesbare Texte und intuitive Navigationselemente machen eine Seite nicht nur für Menschen mit Behinderungen zugänglich, sondern sorgen auch bei anderen Nutzern für eine angenehmere digitale Erfahrung.
Herausforderungen bei der Umsetzung
Die Umsetzung von Barrierefreiheit im Webdesign ist nicht immer einfach. Designer*innen stehen oft vor der Herausforderung, eine Balance zwischen visueller Attraktivität und funktionaler Zugänglichkeit zu finden. Eine zu geringe Berücksichtigung der Barrierefreiheit kann jedoch schwerwiegende Folgen haben, wie etwa rechtliche Probleme oder den Verlust von potenziellen Kunden.
Ein zentrales Problem ist die Farbwahl. Farben sind für die visuelle Struktur einer Webseite von entscheidender Bedeutung, aber sie müssen so gewählt werden, dass sie auch für Menschen mit Sehbehinderungen gut erkennbar sind. Kontrasttests helfen dabei, sicherzustellen, dass Texte und Hintergründe ausreichend voneinander abgehoben sind.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Navigation. Webseiten sollten so gestaltet sein, dass sie vollständig mit der Tastatur bedient werden können. Dies ist besonders wichtig für Nutzer*innen mit motorischen Einschränkungen, die möglicherweise keine Maus verwenden können. Auch die Bereitstellung von Alternativtexten für Bilder ist entscheidend, damit Screenreader den Inhalt für Menschen mit Sehbehinderungen interpretieren können.
Was man bei einem Website-Relaunch beachten sollte
Ein Website-Relaunch bietet die perfekte Gelegenheit, Barrierefreiheit von Anfang an zu integrieren. Hier sind einige zentrale Punkte, die Sie beachten sollten:
- Strukturierte Inhalte: Verwenden Sie klare Überschriftenhierarchien (H1, H2, H3 usw.), um den Inhalt logisch zu gliedern. Dies erleichtert es Screenreadern, die Inhalte korrekt wiederzugeben.
- Alternativtexte für Bilder: Alle visuellen Inhalte sollten mit beschreibenden Alternativtexten versehen werden, damit auch Nutzer ohne Sehvermögen die Inhalte verstehen können.
- Tastaturnavigation: Überprüfen Sie, ob alle Funktionen der Webseite auch ohne Maus bedienbar sind.
- Lesbarkeit: Achten Sie auf gut lesbare Schriftarten und ‑größen sowie auf ausreichende Kontraste zwischen Text und Hintergrund.
Während des Relaunches sollten regelmäßige Tests durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass die Barrierefreiheit durchgängig gewährleistet ist. Hierbei können spezielle Testtools eingesetzt werden, die beispielsweise simulieren, wie Menschen mit verschiedenen Behinderungen die Webseite erleben.
Barrierefreiheit im Backend: Worauf Entwickler achten sollten
Barrierefreiheit ist nicht nur ein Thema für das Design, sondern auch für die Technik und das Website-Backend. Entwickler spielen eine zentrale Rolle bei der Sicherstellung, dass die technischen Grundlagen einer Webseite barrierefrei sind. Unser Entwickler Henrik Liebel nennt einige wichtige Punkte, auf die Backend-Entwickler achten sollten:
- Semantisches HTML: Die Verwendung von semantischen HTML-Tags ist von grundlegender Bedeutung. Diese Tags helfen Screenreadern, den Inhalt richtig zu interpretieren und bieten eine logische Struktur. Statt allgemeiner <div>-Tags sollten wenn möglich spezifischere Tags wie <header>, <nav>, <article> und <footer> verwendet werden, um den Inhalt zu gliedern. Semantisch korrekter Code verbessert nicht nur die Barrierefreiheit, sondern auch die Wartbarkeit und Verständlichkeit des Codes für Entwickler.
- ARIA-Labels: Accessible Rich Internet Applications (ARIA) bieten Entwicklern Werkzeuge, um dynamische Inhalte und benutzerdefinierte Widgets zugänglich zu machen. ARIA-Labels helfen beispielsweise, die Funktionalität von interaktiven Elementen zu beschreiben, die für Screenreader sonst schwer verständlich wären. Wichtig ist jedoch, ARIA nur dort einzusetzen, wo es wirklich notwendig ist. Falsch implementierte ARIA-Attribute können zu Verwirrung bei den Nutzern führen und die Barrierefreiheit beeinträchtigen.
- Formulare: Formulare sollten mit gut sichtbaren und zugänglichen Labels ausgestattet sein. Jeder Eingabefeld sollte mit einem <label>-Tag versehen sein, das klar beschreibt, was von den Nutzern erwartet wird. Es empfiehlt sich, zusätzlich Platzhaltertexte (Placeholders) nur als ergänzende Information zu nutzen und nicht als Ersatz für Labels. Ein gut strukturiertes und verständliches Formular erleichtert nicht nur die Bedienung, sondern trägt auch zur Erhöhung der Conversion-Rate bei.
- Serverseitige Validierung: Während clientseitige Validierung nützlich ist, um Nutzern sofortiges Feedback zu geben, sollte immer auch eine serverseitige Validierung vorhanden sein. Für Benutzer, die keine JavaScript-Unterstützung haben oder alternative Technologien nutzen, ist dies entscheidend, um eine konsistente und zugängliche Benutzererfahrung sicherzustellen. Eine gute Praxis ist es, Fehlermeldungen so zu gestalten, dass sie sowohl klar als auch hilfreich sind, um den Nutzern die Korrektur von Eingabefehlern zu erleichtern.
- Performance und Ladezeiten: Barrierefreiheit hängt auch stark von einer guten Performance ab. Webseiten sollten so entwickelt werden, dass sie schnell laden, um die Benutzerfreundlichkeit für alle zu gewährleisten. Eine langsame Seite kann für alle mit eingeschränkter Internetverbindung frustrierend sein, da lange Ladezeiten die Navigation erschweren. Backend-Entwickler können dazu beitragen, indem sie effiziente Datenbanken, asynchrone Datenverarbeitung und komprimierte Ressourcen verwenden.
- Fehlerbehandlung und Barrierefreiheit: Ein oft vernachlässigter Aspekt der Barrierefreiheit ist die Art und Weise, wie Fehler auf einer Webseite behandelt werden. Fehlermeldungen sollten so gestaltet sein, dass sie für alle Nutzer verständlich und zugänglich sind. Hierbei ist es wichtig, dass Fehler klar beschrieben werden und Nutzern Hinweise gegeben werden, wie sie den Fehler beheben können. Dabei sollte sichergestellt werden, dass Fehlermeldungen auch von Screenreadern korrekt erfasst werden.
- SEO und Barrierefreiheit: Eine barrierefreie Webseite wirkt sich nicht nur positiv auf die Nutzererfahrung aus, sondern auch auf die Suchmaschinenoptimierung (SEO). Suchmaschinen-Crawler „lesen“ Webseiten ähnlich wie Screenreader, indem sie den Code und die Struktur der Seite analysieren. Eine saubere, semantische HTML-Struktur und gut gepflegte ARIA-Attribute helfen, die Inhalte korrekt zu interpretieren und zu indexieren. So trägt Barrierefreiheit nicht nur zur Nutzbarkeit bei, sondern auch zur Sichtbarkeit in Suchmaschinen.
Backend-Entwickler sollten sich darauf konzentrieren, die technische Grundlage der Webseite so zu gestalten, dass Barrierefreiheit in den Code selbst integriert wird, um sicherzustellen, dass alle Nutzergruppen – unabhängig von ihren Fähigkeiten – problemlos auf die Inhalte zugreifen können. Barrierefreiheit im Backend ist ein wesentlicher Bestandteil moderner Webentwicklung und schafft eine inklusivere digitale Welt.
Testing und Optimierung
Die Barrierefreiheit einer Webseite sollte kontinuierlich getestet und optimiert werden. Es gibt zahlreiche Tools, die dabei helfen können, potenzielle Probleme zu identifizieren und zu beheben. Diese Tools simulieren, wie Menschen mit verschiedenen Behinderungen die Webseite erleben, und geben Aufschluss darüber, welche Bereiche verbessert werden müssen.
Ein Beispiel ist die Simulation von Farbfehlsichtigkeiten, die zeigt, wie farbliche Unterschiede von Menschen mit Sehschwächen wahrgenommen werden. Solche Tests sollten regelmäßig durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass die Webseite für alle Nutzer zugänglich bleibt.
Fazit
Barrierefreiheit ist nicht nur eine Frage der gesetzlichen Anforderungen, sondern auch ein Zeichen von Respekt und Professionalität. Durch die Berücksichtigung von Barrierefreiheit auf Ihrer Webseite schaffen Sie eine inklusive digitale Welt, die allen Nutzern offensteht. Eine barrierefreie Webseite verbessert die Nutzererfahrung, erweitert die Zielgruppe und erhöht die Kundenzufriedenheit. Gerne helfen wir Ihnen dabei, die beschriebenen Prinzipien und Techniken auf Ihrer Webseite umzusetzen. Kontaktieren Sie uns.
Quellen:
- https://www.sitecrafting.com/articles/the-abcs-of-ada-how-to-start-making-your-website-inclusive-for-all/
- https://www.w3.org/WAI/standards-guidelines/wcag/
- https://www.farbsehschwaeche.de/beispiele/euro-banknoten
- https://www.bmas.de/DE/Service/Gesetze-und-Gesetzesvorhaben/barrierefreiheitsstaerkungsgesetz.html
- https://www.seokratie.de/barrierefreie-websites/